Wien wählt im Oktober

 

Dass die Stadt aufgrund der bevorstehenden Gemeinderatswahlen keine Gelegenheit auslässt, beim Wohnen in die Rolle der Vorzeigestadt zu schlüpfen, um Wähler und Wählerinnen für ihre Verdienste im sozialen Wohnbau zu gewinnen, war nicht anders zu erwarten. (Die Realität sieht jedoch ein wenig anders aus.)

 

Die Stadt Wien verfügt über 1.800 Gemeindebauanlagen mit rund 220.000 Wohnungen, in denen ca. 500.000 Menschen leben. Jede vierte Wienerin bzw. jeder vierte Wiener wohnt in einer Gemeindewohnung. Nach Maßgabe eigener Angaben beträgt die von Wiener Wohnen verwaltete Gesamtvermietungsfläche nahezu 13 Millionen Quadratmeter, was unter Zugrundlegung einer Breite von vier Metern einer Strecke von Stockholm bis Madrid entspricht. 60% des gesamten Mietwohnungsbestandes gehören dem sozialen Wohnbau (Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen) an.

 

Es sollte zu denken geben, dass trotz dieser beeindruckenden Zahlen 50% der einkommensschwächeren Bevölkerung auf den privaten Mietwohnungsmarkt ausweichen müssen, weil im öffentlichen Mietsektor „kein Platz“ ist. Dort leben zu einem Großteil Menschen, die gut verdienen, aber durch großzügige Eintrittsrechte wenig Miete zahlen. Angesichts der hohen Nachfrage nach Wohnraum durch einkommensschwächere Gruppen ist das Argument der preisdämpfenden Wirkung des sozialen Wohnbaus nur wenig überzeugend. Mangelnde Treffsicherheit lässt sich nicht auf Kosten sozialer Durchmischung „weg argumentieren“ oder anders gesagt: Soziale Treffsicherheit gehört zu den Grundlagen der sozialen Verantwortung.

 

Um soziale Durchmischung zu gewährleisten, aber auch anspruchsberechtigten Menschen Unterstützung zu bieten, fordert der ÖHGB, dass Gut- und Besserverdiener, die in einer Gemeindewohnung leben, etwas mehr zahlen. Diese Mehreinnahmen sollten zweckgebunden für die Unterstützung all jener dienen, die im sozialen Mietsektor nicht unterkommen. Die Aufgabe der öffentlichen Hand liegt auch darin, Menschen und nicht bloß Mauern zu fördern.

 

 Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz in Vorbereitung

 

Den Klimazielen und den Inhalten des türkis-grünen Regierungsprogramms geschuldet ist durch das Bundesministerium für Justiz eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die an einer Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes arbeitet. Dabei geht es um eine vereinfachte Durchsetzbarkeit von Einzelladestationen durch einen Wohnungseigentümer zwecks Erhöhung der Elektromobilität sowie um Vereinfachungen in der Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft mit dem Ziel, thermische Sanierungen voranzutreiben.

 

Der Anfang August in Salzburg stattgefundene Feuerwehreinsatz, bei welchem umfassende Löschungsmaßnahmen aufgrund eines in Brand geratenen Hybridautos beim Aufladen in einer Garage notwendig gewesen waren, zeigt allzu deutlich, dass die Umsetzung des „right to plug“ nicht vorbehaltlos erfolgen darf, sondern der Berücksichtigung umfassender – u. a. auch versicherungsrechtlicher – Überlegungen bedarf.

 

Entsprechende Vorsicht ist auch bei an sich begrüßenswerten Erleichterungen in der Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft geboten. Derartige Änderungen dürfen nicht dazu führen, dass  von einer Minderheit Maßnahmen forciert werden, die viel Geld kosten, sich summa summarum als völlig unwirtschaftlich erweisen, zu überhöhten und langandauernden Zahlungen der Eigentümergemeinschaft führen und möglicherweise doch nicht den erhofften ökologischen Effekt zur Folge haben.

 

Eigentümer, die zur Aufbesserung der eigenen Pension oder Familien, die mühsam erspartes Eigentum angeschafft haben, dürfen nicht aus dem Wohnungseigentum „verdrängt“ werden, denn Wohnungseigentum darf nicht von einer Wohn- in eine Investitionsform verwandelt werden.  Der ÖHGB bringt sich in dieser Arbeitsgruppe ein.

 

Umsetzung des Bestellerprinzips in Ausarbeitung

 

Dass die Implementierung eines Bestellerprinzips nicht den gewünschten Erfolg mit sich bringen kann, sollte schon am Beispiel von Deutschland ersichtlich sein. Dort haben schlagartig die Angebote für Mietwohnungen drastisch abgenommen. Im Regierungsprogramm wurde aber die Einführung eines Bestellerprinzips verankert, wonach „die Kosten der Maklerin bzw. des Maklers bei Vermittlung von Mietwohnungen von demjenigen übernommen werden sollen, der den Auftrag gegeben hat“. Das Justizministerium arbeitet aktuell an einer Umsetzung. Auch hier bringt sich der ÖHGB in eine eingerichtete Arbeitsgruppe ein.

 

Wiener Immobilien- und Mietrechtstag

Für Interessierte gibt es die Möglichkeit am 19.9.2020 zum 6. Wiener Immobilien- und Mietrechtstag teilzunehmen. Zahlreiche Vorträge, von denen auch ich einen halten darf, bieten einen Überblick über Änderungen im Immobilien- und Mietrecht. Die Teilnahme an dieser Onlineveranstaltung ist gratis. Die Teilnahme an dieser Onlineveranstaltung ist gratis. Eine Übersicht über das Programm sowie eine Anmeldung können Sie – je nach Erscheinen dieser Ausgabe hoffentlich noch rechtzeitig – unter www.wimt.at vornehmen.

 

Eines ist jedenfalls sicher: Unabhängig vom Klima steht uns ein heißer Herbst bevor.